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Business Ghosting: Wie die Geschäftswelt zur Geisterbahn wird

In Zeiten der New Work, in denen sich scheinbar alles zum Besseren wendet, erleben wir doch auch Entwicklungen, die eher nachdenklich stimmen. Dazu zählt ein Phänomen, dessen Ursprünge in der anonymen Dating-Welt von New York City liegen, und welches nun zunehmend in der Business-Welt in Mode zu kommen scheint: das Ghosting. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie mehr über den Trend zu abrupten Kontaktabbrüchen in beruflichen Kontexten – und wie Sie umgehen können.

Hinter dem Ghosting (dt. „Vergeisterung“) steckt ein unangekündigter, vollständiger Kontakt- und Kommunikationsabbruch in einer Beziehung oder Freundschaft, der sich auf die betroffenen Personen meist überraschend, häufig verletzend und in manchen Fällen traumatisch auswirkt. In einem Moment noch liegen Sie in den Armen Ihres Partners und sprechen über die gemeinsame Zukunft... die dann ganz offensichtlich ohne Ihren Partner stattfinden muss, denn von ihm/ihr haben Sie nach diesem Abend nie wieder etwas gehört. Kein Anruf, kein Rückruf, keine Nachrichten, keine Antwort auf Nachrichten. Keine Erklärung. Nichts!


Der polnische Abgang 4.0


.Das Ghosting ist im Privatleben vor allem in den Generationen Y und Z weit verbreitet. Die scheinbar unendlichen Optionen, die das Online-Dating versprechen, gelten als Treiber der Entwicklung. Doch nicht nur im Liebesleben wird fleißig geghostet, auch im Geschäftskontext hat die moderne Form des polnischen Abgangs eine Skalierung erfahren. Sie sind eben noch in gemeinsame Pläne mit einem Geschäftspartner verwickelt, vereinbaren die nächsten Termine und hören nie wieder von der Person? Ghosting ist die neue Business-Etikette – und zwar auf allen Ebenen: vom Berufseinsteiger bis zum C-Level. Was früher nur der Crème-de-la-Crème (unerreichbaren Stars, vielbeschäftigten CEOs und schlecht organisierten Professoren) zustand, gehört heute auf allen Ebenen zum guten Ton.

Nehmen wir nun alle das Ghosting in unser Repertoire auf, wenn wir nicht ohnehin schon Meister darin sind? Ich hoffe nicht. Erst kürzlich hatte ich mit einer jungen, ambitionierten Hochschule zu tun. Man will sich mit den Großen der Großen messen und ist sehr stolz darauf, schon Studierende von namhaften Institutionen abgeworben zu haben, erzählte mir der Gründer. Wir haben uns über eine mögliche Zusammenarbeit in der Lehre ausgetauscht, Entrepreneurship sei ein Thema für sie, das Gespräch war sehr positiv (dachte ich) und wir vereinbarten, uns in zwei bis drei Wochen wieder zusammenzusetzen. Die Studiengangsleiterin sollte sich in der Zwischenzeit mit mir treffen, so der Gründer. Email an sie, Email an ihn. Warten. Keine Reaktion. Nach einigen Wochen Email Nr. 2. Warten. Keine Reaktion. Email Nr. 3 mit der Bitte die von mir im Vorhinein gelieferten Informationen zu löschen. Keine Reaktion. Keine Entschuldigung. Nichts!


Willkommen im Kommunikations-Nirvana


Ähnlich ging es einem befreundeten Startup von mir. Das Team hat eine sehr aussichtsreiche digitale Plattform im B2B-Umfeld auf den Markt gebracht und ich habe sie mit einem möglichen institutionellen Investor verknüpft. Die Gespräche zwischen den Parteien liefen wunderbar (dachten wir), das Startup hat dem Investor Zugang zu der Plattform verschafft, Pläne wurden geschmiedet, ein Win-Win für beide Parteien, nächste Termine wurden ausgemacht... doch vom potenziellen Investor hat das Startup nie mehr etwas gehört. Weder auf Emails noch auf Anrufe oder Nachrichten hat er reagiert. Nichts! Jetzt denken Sie vielleicht: Wer weiß, ob er noch lebt! Vielleicht ist ihm etwas zugestoßen? Ich muss Ihnen sagen: Er lebt. Zwar bekomme auch ich keine Antworten mehr auf meine Nachrichten, aber er folgt mir auf Instagram und verpasst keine meiner Stories. Auf Facebook sehe ich auch täglich sehr lustige Bilder von ihm. Er ist quicklebendig – und ghostet fröhlich vor sich hin!


Business Ghosting ist also eine einseitige, unangekündigte und für den Betroffenen überraschende Kontaktabbruchsstrategie, die in beruflichen Kontexten zum Einsatz kommt. Ein geplantes Projekt absagen? Eine Jobabsage senden? Die langjährige Zusammenarbeit offiziell beenden? Wozu bitte! Keine Antwort ist auch eine Antwort. Und ganz ehrlich: mit Feedback setzen wir uns doch sowieso nur in die Nesseln. Da verlangt der andere nur Gründe, schiebt womöglich die Schuld auf uns oder dreht uns noch ein juristisches Ding draus. Wozu den ganzen Stress?


Todstellen als Konfliktstrategie


Psychologen sehen Unsicherheit, Konfliktscheue, Angst vor Gesichtsverlust und Probleme, die eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren als Hauptgründe dafür, dass Menschen den radikalen Kontaktabbruch wählen (vorsätzliches Ghosting). Diese Menschen haben für sich das Konfliktverhalten „Flucht“ oder „Todstellen“ gewählt. Im Business-Kontext kann zusätzlich eine schlechte Organisation der Kommunikation als Grund infrage kommen (fahrlässiges Ghosting). Manch Manager/in oder Unternehmer/in ist schlichtweg überfordert mit der Anzahl der an ihn/sie gerichteten Nachrichten auf sämtlichen Kanälen. Anstatt sich jedoch hier organisatorische oder personelle Unterstützung zu holen, wird primär dort kommuniziert, wo es brennt. Der Effekt ist der gleiche: das Gegenüber steht ohne Erklärungen da.


Wie gehen wir mit dem Phänomen am besten um – als Ghosting-Opfer und als Ghosts? Hier ein kleines Erste-Hilfe-Kit:


1. Reflexion: Analysieren Sie Ihre Kommunikation


Bevor wir uns über den Ghost beklagen, sollten wir zunächst einmal unser eigenes Kommunikationsverhalten einer Analyse unterziehen – und zwar in mehrere Richtungen. Erstens gilt es natürlich zu überprüfen, ob Sie möglicherweise etwas gesagt, getan, geschrieben haben, was den anderen verärgert, verletzt, verunsichert haben könnte? Eine Frage, die oftmals ohne Beteiligung des anderen nicht ohne weiteres zu klären ist. Falls Sie hier nicht weiterkommen und Sie sich eine Erklärung wünschen, kann es zweitens helfen, Mittelspersonen, die beide Parteien kennen, zu befragen. Drittens ist ein Ghosting-Fall immer ein guter Anlass, zu analysieren, ob Sie in den vergangenen Monaten oder Jahren Menschen geghostet haben – bewusst oder unbewusst. Vielleicht verwendet Ihr Ghost ja nur eine Strategie, die Ihnen selbst nur allzu vertraut ist?


2. Adaption: Verändern Sie Ihr Verhalten


Sollte Ihnen aufgefallen sein, dass Sie im konkreten Fall Ihrerseits kommunikative Missverständnisse verursacht haben (kaum ein Mensch ist vor impulsiven Reaktionen oder missverständlichen Formulierungen gefeit), hilft eine freundliche Klarstellung mit der Bitte um ein Gespräch oder eine Rückmeldung. In vielen Fällen wird es so sein, dass sich ein Ghost trotzdem nicht meldet. Hier wird es Zeit, sich klarzumachen, dass vermutlich nicht Sie die Person sind, die hier ein Problem hat, sondern vielmehr das Gegenüber, das offensichtlich mit einer unter Erwachsenen angemessenen Lösung der Situation psychologisch oder organisatorisch überfordert ist. Nichtsdestotrotz ist dies ein guter Anlass, um unbeantwortete Emails zu beantworten oder Beziehungen, die möglicherweise von Ihnen nicht fair beendet wurden, noch ein rundes Ende (oder einen neuen Anfang) zu gönnen – getreu dem Motto: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir für die Welt wünscht!“


3. Feedback: Geben Sie konstruktive Rückmeldung


Neben der Reflexion ist Feedback von außen ein wichtiger Auslöser für Verhaltensänderung. Geben Sie also dem Ghost ehrliches, aber dennoch konstruktives und freundliches Feedback, wie der Kommunikationsabbruch auf Sie wirkt und welche Konsequenzen er möglicherweise mit sich brachte. Beim Feedback sollten Sie das Subsidiaritätsprinzip wahren: persönliches Feedback vor öffentlichem Feedback. Bevor Sie auf Google eine wütende Bemerkung über die scheinbare Ignoranz des Geschäftspartners schreiben, erinnern Sie die Person lieber erst einmal direkt daran, wie man als Erwachsene respektvoll miteinander kommuniziert. Wenn Sie nach einigen Tagen immer noch den Drang spüren, andere „zu warnen“, dann steht einer möglichst sachlich verfassten Rezension nichts im Wege. Für Ghosts gilt in beiden Fällen: reagieren Sie unbedingt auf Feedback – je eher desto besser.


[Abruptes Ende]



P.S. Mit wissenschaftlich fundierten Methoden arbeite ich als Life Coach mit Ihnen an der Lösung innerer und äußerer Konflikte. Für mehr Infos: www.jessicadibella.de/coaching

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